Bad Segeberg kultourt

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Eine Gemeinschaftsaktion der Kulturschaffenden und Veranstalter Bad Segebergs
Koordiniert von Kulturkontor und SZ Segeberger Zeitung.

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Di 3. Juli 17.30 und 20 Uhr
LINSE Filmkunst:
Lucky

Drama
Regie: John Carroll Lynch
mit: Harry Dean Stanton (Lucky) · David Lynch (Howard) · Ron Livingston (Bobby Laurence) · Ed Begley jr. (Dr. Christian Kneedler) · Tom Skerritt (Fred)
USA 2017, 88 min.

CinePlanet5, Oldesloer Straße 34

Vignetten aus dem Leben eines alten Mannes in der Wüste von Arizona, die sich zu einem bewegenden Porträt eines Menschen verdichten, der es gelernt hat, mit der Einsamkeit und dem Bewusstsein der Sterblichkeit umzugehen. Ein gänzlich unpathetischer, zu den Wurzeln der Existenz vordringender wortkarger Film, in dem die Furcht vor dem Tod der gelassenen Akzeptanz täglicher Rituale weicht.

Langkritik:

Wie auf einem Porträtfoto sieht man ihn zum ersten Mal. Den alten Mann, der für die nächsten 90 Minuten das Zentrum der Aufmerksamkeit ist. Man begegnet ihm in der weiten Einsamkeit der Wüste von Arizona. Beim Ritual seiner Morgenwäsche. Beim täglichen Yoga. Wie er Kreuzworträtsel löst. Wie er den Milchkarton aus dem Kühlschrank seines abgelegenen kleinen Hauses holt. Beim Gang in den Ort. Im Coffee Shop, der Bar, beim Arztbesuch, im Gespräch mit einem Marine-Veteranen, mit einem Anwalt, der ihm einen letzten Willen aufschwatzen will, und mit David Lynch, der immer wieder von seiner verschwundenen Schildkröte namens Theodore Roosevelt erzählt. Und einmal singt der alte Mann, der sich Lucky nennt, sogar auf einem mexikanischen Kindergeburtstag.


Der während der Dreharbeiten 90-jährige Harry Dean Stanton spielt Lucky, kurz vor seinem eigenen Tod. Der Film, inszeniert vom Schauspieler John Carroll Lynch, ist eine Sammlung von Vignetten, eine Hommage auf Harry Dean Stanton und eine Reflexion über die letzten Jahre vor dem Tod.


Es passiert wenig in „Lucky“ für ein Publikum, das an melodramatische Geschichten und an Action gewöhnt ist. Aber es passiert eine Menge für Zuschauer, die bereit sind, sich dem Fluss der Bilder und der wortkargen Dialoge zu überlassen. „Lucky“ ist einer der einfachsten und bescheidensten Filme der jüngsten Zeit, ein Film, in dem einer entlaufenen Schildkröte mehr Bedeutung zukommt als den Ereignissen in der Welt. In Luckys Augen spiegeln sich die Erinnerung an ein fast schon in Vergessenheit geratenes Leben, die Einsamkeit des Alters, die Furcht vor dem Tod und die Gelassenheit, mit der er seinem Ende entgegengeht.


Im Soundtrack hört man Johnny Cashs „I See a Darkness“; an ein Weiterleben der Seele glaubt Lucky ebenso wenig wie an die Hilfe der modernen Medizin. Aber am Schluss des Films stehen ein Lächeln und die Rückkehr der verschwundenen Schildkröte, deren gepanzerter Körper sich schwerfällig durch den Wüstensand schiebt. Vielleicht hundert oder auch zweihundert Jahre lang.


Wenn es jemals einen undramatischen Film gegeben hat, dann zählt „Lucky“ zu diesem Genre. Man mag an Wim Wenders’ „Paris, Texas“ (fd 24 765) denken (ebenfalls mit Harry Dean Stanton) oder an David Lynchs „The Straight Story“ (fd 33 981), an Jim Jarmuschs „Paterson“ (fd 44 269) oder an die Filme von Kelly Reichardt. „Lucky“ darf mit ihnen in einem Atemzug genannt werden. Jede der langen Einstellungen reflektiert eine existenzielle Situation, wie sie allen Menschen bevorsteht. In der Einsamkeit der Wüste, getragen von den spartanischen Gesten und den wenigen Worten eines aus zahllosen kleinen Rollen vertrauten Darstellers, der selbst am Ende seines Lebens steht, nimmt jede Szene ein Gewicht an, das ihr in alltäglichen Filmen nie zukommen würde.


„Freundschaft ist wichtig für die Seele“, sagt jemand zu Lucky. „Die gibt es nicht“, antwortet der. „Die Freundschaft?“, fragt der andere. „Die Seele!“, ruft Lucky.


„Lucky“ ist kein Film über den Tod und was danach kommen mag, sondern über den Mut, mit der Sterblichkeit umzugehen. Die Schildkröte und der vom Leben gegerbte alte Mann haben mehr gemeinsam, als man zunächst zu denken glaubt.

Franz Everschor, FILMDIENST

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