Bad Segeberg kultourt

Bad Segeberg kultourt

Eine Gemeinschaftsaktion der Kulturschaffenden und Veranstalter Bad Segebergs
Koordiniert von Kulturkontor und SZ Segeberger Zeitung.

Informationen zur Veranstaltung

Zurück

Di 2. Mai 2023
LINSE Filmkunst:
Rheingold (2022)

Biopic
Regie: Fatih Akin
mit: Emilio Sakraya (Xatar) · Mona Pirzad (Rasal Hajabi) · Majid Bakhtiari (Mullah) · Sogol Faghani (Sogol Faghani) · Julia Goldberg (Leila)
Deutschland/Italien/Niederlande/Frankreich 2022 | 138 Minuten | ab 16

CinePlanet5, Oldesloer Straße 34

Filmische Biographie des kurdisch-stämmigen Rappers Giwar Hajabi alias Xatar. Nach der Flucht der Eltern aus Teheran nach Deutschland steigt er zum gefürchteten Großdealer auf, der nebenbei noch Musik machen will. Doch ein schlecht geplanter Überfall auf einen Goldtransport befördert ihn ins Gefängnis. Was als aufschlussreiche Geschichte über Flucht und Vertreibung beginnt, mündet in die Glorifizierung eines ambivalenten Helden, der viel zu brutal und skrupellos agiert, um als Identifikationsfigur zu dienen. Dabei interessiert sich der Film auffallend wenig für die Musik und die Texte und kann nie deutlich machen, was Hajabi mit seiner Kunst aussagen will.

Langkritik:

Dies ist die Geschichte des deutschen, kurdisch-stämmigen und überaus erfolgreichen Rappers Giwar Hajabi, besser bekannt als Xatar. Die Bedeutung der Rufnamen könnte so etwas wie ein Spannungsfeld schaffen, in dem der Film etwas über eine schillernde, ungewöhnliche Biographie und das Abgleiten in die Kriminalität, aus der nur die Liebe zur Musik hinausweist, erzählt. Giwar, das ist der „im Leid Geborene“, Xatar, das ist „Der Gefährliche“. Doch Fatih Akin, der zuletzt schon mit „Der Goldene Handschuh“ einem wahren Verbrechen nachspürte, hatte eher eine pikareske Erfolgsgeschichte im Sinn, die in komisch gemeinten Episoden vom Aufstieg eines Kleinganoven zum Musikstar berichtet. Das Ergebnis ist, so viel als vorweggenommenes Fazit, enttäuschend.

„Ich bin schon als Kind im Gefängnis gewesen,“ sagt Giwar einmal. Giwars Vater Eghbal Hajabi, ein bedeutender Komponist und Dirigent, war 1979 mit seiner Frau vor den Schergen Khomeinis von Teheran in den Irak geflüchtet. Sie schließen sich kurdischen Widerstandskämpfern an und werden verhaftet. Das französische Rote Kreuz verhilft den Hajabis zur Ausreise, über Paris geht es nach Bonn, wo der Vater ein Engagement als Dirigent an der Oper annimmt – da ist Giwar gerade einmal drei Jahre alt. Bis dahin funktioniert „Rheingold“ wunderbar als Film über Flucht und Vertreibung, über Heimatverlust und kulturelle Identität. Teheran, Bagdad, Syrien, Bonn sind die einzelnen Stationen überschrieben, die den Film in Kapitel einteilen; mehrere Formate, von 4:3 über normal bis Cinemascope, rahmen die unterschiedlichen Zeitebenen. Wenn dann Eghbal Hajabi leidenschaftlich die Ouvertüre zu Wagners „Rheingold“ dirigiert, ist er endlich in Deutschland angekommen. „Es ist das Gold, das unsterblich macht, und wer es einmal hat, wird es nie wieder aus der Hand geben,“ erklärt er seinem Sohn, der diesen Satz nie vergessen wird.

Dealen statt Musikmanagement

Als Teenager dealt Giwar Hajabi mit Haschisch, verkauft illegal kopierte Pornofilme und interessiert sich für Hip-Hop. Als Erwachsener steigt er zum brutalen und gefürchteten Großdealer auf, der Jahre später in Amsterdam das Türstehermilieu übernimmt. Eigentlich hatte er hier am Konservatorium Musikmanagement studieren wollen. Doch als er eine große Ladung Kokain im wahrsten Sinne des Wortes wie Wasser verrinnen lässt, will er seine Schulden beim Kartell mit einem Überfall auf einen Goldtransport begleichen. Zahngold, das Leichenbestatter in ganz Deutschland den Toten einfach entwendet haben und das nun einen erklecklichen Wert ausmacht.

Gerade dieser Überfall macht die Problematik des Films deutlich. Die Dämlichkeit des Räubers soll ihn auch sympathisch wirken lassen. Die zahlreichen Fehler, die er begeht, weisen den Film deutlich als Komödie aus, das gilt auch für die Szenen im Gefängnis, wenn er nachts Rap aufnimmt und so seinen Zellengenossen den Schlaf raubt. Akin zeichnet Hajabi wohlwollend als positive Figur, als glorifizierten Helden, der trotz aller Widerstände seinen Weg geht. Doch die Brutalität, mit der er sich nach einem Kurzlehrgang in Nahkampftechnik für erlittene Prügel rächt, und das Machtbewusstsein, mit dem er in Amsterdam „Türen kippt“ (also die Security von Clubs und Discotheken gewaltsam an sich reißt), weisen ihn indes als skrupellosen Gangster aus.

Mehr Gangster-Rapper-Ballade als Musikerporträt

Akin erliegt hier den Klischees des Gangster-Rappers: Goldkette und Rollkragenpulli, Lederjacke und Glatze, Schnäuzer und eine vulgäre Sprache, die Frauen jeden Respekt versagt. Fast hat man den Eindruck, als wolle der Regisseur amerikanischen Vorbildern, „Straight Outta Compton“ vielleicht, nacheifern. Doch dessen Protagonisten hatten wenigstens eine Vorstellung davon, was sie musikalisch erreichen wollten. „Rheingold“ hingegen interessiert sich auffallend wenig für die Musik und die Texte. Nie wird deutlich, was Hajabi am Rhythmus fasziniert oder welche Inhalte er transportieren will. Die Szenen, in denen er noch andere Musiker und Musikerinnen als Manager unter seine Fittiche nimmt, wirken seltsam lieblos und gestellt.

Viel interessanter ist da die Musik des Vaters, der volkstümliche Melodien mit klassischen Kompositionen verbindet und so zu einer neuen, aufregenden Synthese findet. Das Dilemma des Films macht jene Szene deutlich, in der Hajabi seiner kleinen Tochter die kriminelle Vergangenheit erklären soll. „Das ist schon so lange her“, sagt er nur, während die Kamera anschließend über eine moderne Villa mit Pool fährt. Verbrechen lohnt sich also doch, der Schurke ist ein Held, und über Schuld lässt sich bestens schweigen.

Michael Ranze, FILMDIENST

Diese Veranstaltung mailen oder facebooken

7.jpg