Bad Segeberg kultourt

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Eine Gemeinschaftsaktion der Kulturschaffenden und Veranstalter Bad Segebergs
Koordiniert von Kulturkontor und SZ Segeberger Zeitung.

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Di 15. August 2023
LINSE Filmkunst:
Im Westen nichts Neues (2021)

Kriegsfilm
Regie: Edward Berger
mit: Felix Kammerer (Paul Bäumer) · Albrecht Schuch (Stanislaus Katczinsky) · Moritz Klaus (Frantz Müller) · Aaron Hilmer (Albert Kropp) · Edin Hasanovic (Tjaden)
Deutschland 2021 | 142 Minuten | ab 16

CinePlanet5, Oldesloer Straße 34

Neuverfilmung des berühmten Antikriegsromans von Erich Maria Remarque. Mehrere Abiturienten melden sich im Frühjahr 1917 freiwillig, um an der Westfront in Frankreich am Ersten Weltkrieg teilzunehmen. Doch die anfängliche Begeisterung weicht schnell der Desillusionierung angesichts des Grauens und der Brutalität des Krieges. Die aufwändig realisierte Literaturverfilmung setzt teilweise andere Akzente als der Roman und die Erstverfilmung aus dem Jahr 1930 und greift zusätzliche politische Themen auf, etwa Friedensverhandlungen. Das Hauptgewicht liegt auf der wirklichkeitsnahen Darstellung der Schlachten, die an Grausamkeit nichts aussparen.

Langkritik:

„Im Westen nichts Neues“, 1929 von Erich Maria Remarque veröffentlicht, ist eines der erfolgreichsten Bücher des 20. Jahrhunderts und damit längst ein Mythos der Moderne. Mehr noch: „Im Westen nichts Neues“ ist eine desillusionierende Darstellung des Krieges, mit der der Autor den Sinn des Heldentods hinterfragte und damit in den 1920er-Jahren ein Tabu brach. Die Verfilmung von Lewis Milestone, ein Jahr später als große Hollywoodproduktion der Universal Studios entstanden, gilt auch heute noch als bedeutendster Antikriegsfilm, der die Grauen des Ersten Weltkriegs realistisch schildert und dem Publikum insbesondere in den perfekt inszenierten Schlachtszenen nichts ersparte.

Nun folgt eine Neuverfilmung des Romans, produziert im Auftrag von Netflix, inszeniert von Edward Berger, der vor allem durch das Kinderdrama „Jack“ (2013) Aufmerksamkeit erregte.

Die anfängliche Begeisterung verfliegt rasch

Frühjahr 1917, an der Westfront in Frankreich. Die Kamera fängt nagende Tiere ein, zeigt einen Wald im Nebel, schaut hoch in die Baumkronen. Noch ist alles friedlich, die Natur weiß nichts vom Krieg. Doch dann bricht sich die Gewalt in einer Attacke Bahn, bei der die Soldaten schreiend und schießend nach vorne stürmen. Nun springt der Film in seiner Erzählung kurz zurück. Der 17-jährige Paul Bäumer (Felix Kammerer) und seine Freunde haben soeben ihr Abitur bestanden und können es, angetrieben durch chauvinistische Reden ihrer Lehrer, kaum erwarten, nach Paris zu marschieren. Paul fälscht sogar die Unterschrift seines Vaters, um sich einziehen zu lassen.

Doch schon bei der Musterung gibt es eine erste Irritation. Die Uniform, die ihm gereicht wird, hat – darauf verweist das eingenähte Namensetikett – schon jemand anderem gehört, und dieser Andere ist jetzt tot. Als die jungen Männer nach tagelangem Fußmarsch endlich an der Westfront ankommen, ist ihre anfängliche Begeisterung verflogen. Es regnet in Strömen, der Schützengraben ist ein einziger Morast, es herrscht Aufregung und Chaos, und dann nehmen die Franzosen sie auch noch unter Dauerbeschuss.

Die Inszenierung von Edward Berger konzentriert sich von Beginn an auf die Grausamkeit, die Brutalität und das Elend des Krieges. Die Grundausbildung, die im Roman noch eine Rolle spielt, wurde komplett ausgespart, ebenso der Heimaturlaub, bei der die jungen Soldaten an ihrer ehemaligen Schule von ihren Heldentaten berichten sollen. Bergers Absicht ist klar: Diese Männer befinden sich im Krieg, weit weg von zuhause, und in diesem Krieg geht es nur ums nackte Überleben. Eine verlorene Generation. Berger zeigt das in aufwändig inszenierten, penibel ausgestatteten und perfekt choreografierten Schlachten, die stets eine Vorstellung von der Größe des Schlachtfeldes und dem Ausmaß der Verwüstungen geben: abgebrannte Bäume, riesige Krater, graue Steinwüsten.

Die Grausamkeit des Sterbens

Plötzlich folgt ein Zeitsprung von anderthalb Jahren. Der erfahrene Soldat Stanislaus „Kat“ Katczinsky (Albrecht Schuch) hat Paul Bäumer unter seine Fittiche genommen. Doch ausgerechnet jetzt, kurz vor dem Ende des Krieges, nimmt der Horror kein Ende mehr. Flammenwerfer, die die deutschen Soldaten in lebende Fackeln verwandeln, riesengroße, unförmige Panzer, die über die Schützengräben fahren und alles kurz und klein schießen, ein Soldat, der von den Ketten eines Panzers zerquetscht wird, Gasangriffe, die besonders heimtückisch sind. Dazu ein beängstigender Soundtrack, der mit einem dröhnenden Dreiklang das Unbehagen noch verstärkt.

Im Gegensatz dazu die Unmittelbarkeit der Gewalt im Nahkampf, mal mit dem Bajonett, mal mit Fäusten; aber auch Spaten oder sogar Helme werden als Waffen verwendet. Berger erspart einem nichts. In zwei minutenlangen Todesszenen, bei denen zuerst ein Franzose, der mit durchschnittener Kehle röchelnd dahinsiecht, und dann ein Deutscher sterben, macht er die Grausamkeit des Tötens deutlich. Auch die Frage nach der Sinnhaftigkeit eines Stellungskriegs, bei dem es über mehrere Jahre hinweg immer nur wenige Meter vor- und zurückgeht, steht im Raum.

Kein Anlass für Hoffnung

Allein in diesem Frontabschnitt sind drei Millionen Soldaten gestorben, wie eine Schrifttafel mitteilt. Mit den realen, im Roman nicht enthaltenen Figuren des deutschen Staatssekretärs Matthias Erzberger (Daniel Brühl), der gegen den Willen der Militärs in einem Zugwaggon im Wald von Compiègne mit arroganten französischen Generälen Friedensverhandlungen führt, und des preußischen Generals Friedrichs (Devid Striesow mit Glatze und outriertem Spiel), der auf die Sozialdemokraten schimpft und die Soldaten in eine letzte, sinnlose Schlacht schickt, greift Berger diesen Themenkomplex um Frieden oder Weitermachen auf. Diese letzte Schlacht fasst die Essenz des Films noch einmal mit einem großen Paukenschlag zusammen. Für die Poesie, mit der Milestones Film zu Ende ging, sieht Berger keinen Anlass mehr.

Michael Ranze, FILMDIENST

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